Danielle Schippers arbeitet im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als Referentin bei der LÜKEX, einer regelmäßig stattfinden Übung zum Krisenmanagement in Deutschland. Sie ist dort zuständig für den Bereich Medienarbeit.
Das war eine klassische „Nicht-Entscheidung“. Ich wusste nicht, was ich mal werden will, wenn ich erwachsen bin :-) Ich wusste nur, ich will irgendwas mit Menschen und Kommunikation machen. Ich habe dann versucht so viele unterschiedliche Studiengänge wie möglich zu finden, die irgendwas damit zu tun haben.
An der RWTH Aachen hat mich dann der Info-Tag der Philosophischen Fakultät für das Fach Soziologie begeistert, ironischerweise mit einem Gedankenspiel über das Verhalten von Menschenmassen, das im Studium niemals behandelt wurde. Dafür arbeite ich heute im Krisenmanagement bzw. der Krisenkommunikation, also genau in diesem Themenbereich.
Ich habe den 2-Fach-Master an der RWTH in Soziologie und Sprach- und Kommunikationswissenschaft absolviert. Die Geisteswissenschaften sind in Aachen viel stärker als allgemein bekannt aufgestellt. Neben Medizin, Maschinenbau und E-Technik gibts auch viele weitere kluge Köpfe dort.
Ich habe während meines Studiums für den Lokalteil Geilenkirchen der Aachener Zeitung geschrieben und viele journalistische Praktika „gesammelt“. Ich dachte damals, dass mein Weg mich in den Journalismus führt. Ich wollte überall reinschauen, habe für Print, Hörfunk, Fernsehen, Online und Agentur gearbeitet, u.a. war ich bei den Kinderformaten logo! und PUR+ (TV), bei meinem Heimatsender 100,5 (Radio), bei der DPA und für die ARD in Polen. Zudem habe ich für die WDR Lokalzeit Aachen erst in der Redaktion assistiert und dann später als Kabelhilfe gearbeitet, das war der perfekte Studi-Job. Außerdem wurde ich vom „Journalismusseminar enter“ auf Spur gesetzt, damals als Teilnehmerin, heute leite ich das Seminar mit einem tollen Team. Die praktische Erfahrung durch Praktika habe ich in den Semesterferien gesammelt und zusätzlich bewusst dafür ein Jahr Pause zwischen Bachelor und Master eingelegt.
Dann kam doch alles anders. Ich wollte ein journalistisches TV-Volontariat machen, aber neben mir wollten das hunderte andere auch. Ich habe eingesehen, dass ich mich breiter bewerben muss und habe das Volo beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bekommen. Das Thema Bevölkerungsschutz hat mich einfach begeistert und tut es bis heute.
Das Volontariat war klasse, ich konnte Erfahrung in der Pressestelle bzw. dem Präsidialbüro sammeln, war viel unterwegs auf Veranstaltungen, konnte den Twitter- und YouTube-Kanal mit aufbauen und viele externe Fortbildungen machen. Damals habe ich mich an unserer Akademie, der AKNZ (Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz), Richtung Krisenkommunikation und Social Media orientiert und das mache ich bis heute.
Ich arbeite nun im BBK als Referentin bei der LÜKEX (Länder- und Ressortübergreifende Krisenmanagement Exercise/Übung). Dort verantworte ich den Bereich Medienarbeit, also sowohl die begleitende reale Medienarbeit der Übung als auch die fiktive Medienarbeit, also z.B. die Inhalte der Übung im Drehbuch.
Die reale Medienarbeit ist schnell erklärt. Die LÜKEX ist ein groß angelegtes Projekt mit vielen beteiligten Institutionen (Länder, Bundesbehörden, Hilfsorganisationen, Unternehmen der Kritischen Infrastruktur) und aktuellen Themen. Deswegen machen wir aktive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, um die Menschen zu informieren. Wir sind davon überzeugt, dass staatliche Kommunikation offen, transparent und dialogorientiert sein muss, nur so schenken uns Bürgerinnen und Bürger ihr Vertrauen. Sonst kommt es dazu, dass Menschen von der Übung überrascht sind, wenn sie davon lesen. Sie sehen nur das „worst-case-Szenario“, das wir bewusst so konstruieren, und sind verunsichert. Erst recht, wenn dann manchmal unsere Übungsszenarien sehr ähnlich in der Realität eintreten.
Die fiktive Medienarbeit macht mir besonders viel Spaß. Die Übenden definieren in der Übungsvorbereitung Ziele, die sie erreichen wollen. Sehr häufig ist ein intensiver Übungsanteil in der Krisenkommunikation gewünscht. Deswegen konstruieren wir eine komplette fiktive Medienlandschaft vor und quasi „live“ in der Übung. Wir produzieren TV-Nachrichten (LÜKEX TV auf YouTube), Print- bzw. Online-Zeitungen, Radio und wir simulieren Soziale Netzwerke. Dafür arbeiten während der Übungssteuerung viele Menschen als Darsteller*innen, sie stellen die Bevölkerung und die Presse dar.
Wie gesagt war es zunächst nicht meine 1. Wahl, aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich genau das tue was ich immer wollte. Als Journalistin wollte ich was bewegen, die Bedingungen für Menschen verbessern, meinen Teil zur Gesellschaft beitragen, immer neue und spannende Themen bearbeiten - also die Intentionen, die mich auch schon zum Soziologie-Studium gebracht haben. Ich bin ein extrem neugieriger und kommunikativer Mensch, brauche ständig neuen Input und bin nicht zuletzt deswegen totaler Medienjunkie. Und das liebe ich heute an meinem Job. Im Bevölkerungsschutz und dem Krisenmanagement braucht man einen Überblick, bearbeitet Querschnittthemen und hat sehr viel mit sehr unterschiedlichen Menschen zu tun. Als Beamtin (hätte mir das jemand vor 10 Jahren erzählt, ich hätte sie/ihn ausgelacht) sehe ich mich im Dienste der Bevölkerung.
Die LÜKEX ist eine strategische Krisenmanagementübung. Das heißt, im BBK planen wir die Übung, bereiten sie vor, führen sie durch und werten sie aus. An der Übung mit wechselnden Krisenszenarien nehmen die Länder, Ressorts und KRITIS (Unternehmen der Kritischen Infrastruktur, z.B. Energieversorger, Verkehrsbetriebe, Lebensmittelhandel, Banken usw.) teil. Die LÜKEX ist eine strategisch-administrative Übung, wir üben also keine praktischen Handgriffe wie im Katastrophenschutz, sondern Strukturen und Entscheidungen. Dabei lassen sich Prozesse überprüfen und dann optimieren mit Fragen wie: Wie arbeiten Krisenstäbe übergreifend zusammen? Wie kommunizieren sie mit der Bevölkerung? Wie entstehen übergreifende Lagebilder? Wie sind ihre Krisenmanagementstrukturen vorbereitet?
Mein Team (übrigens neben Medienwissenschaftler*innen, Geograf*innen, Ingenieur*innen, Jurist*innen, ITler*innen, Rettungssanitäter*innen auch weitere Soziolog*innen) und ich arbeiten deswegen sehr interdisziplinär mit Menschen aus dem öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektoren und der Wissenschaft zusammen und bewegen uns auch immer teilweise im politischen Bereich der Bundesressorts.
Wir versuchen also täglich bei den Planungen für die Übung die Arbeitswelten und Eigenheiten der Krisenmanagement-Systeme der Akteure zu koordinieren und im Projekt LÜKEX ein Netzwerk für den Bevölkerungsschutz aufzubauen. Um auf die Frage zurück zu kommen, was ich den ganzen Tag mache: Ich kommuniziere mit Menschen und mache was mit Medien :-)
Zunächst mal sehr hilfreich und während meines Studiums stark unterschätzt: Die allseits beliebte Statistik ^^ Ich kann Studien durchführen und vor allem lesen und verstehen. Diese Fähigkeit wird in Zeiten, in denen Datenmengen omnipräsent und Zahlen sowie Studien für eigene Zwecke umgedeutet werden, immer wichtiger. Macht sich übrigens auch in Bewerbungen ganz gut!
Der nächste wichtige Punkt ist, dass ich als Generalistin eben keinen streng fachlich ausgerichteten Blick auf Dinge habe, sondern immer versuche in Zusammenhängen zu denken, was mir die interdisziplinäre Zusammensetzung im Team, im Amt und mit den Playern mit unterschiedlichsten Professionen in der LÜKEX stark vereinfacht.
Nicht zuletzt empfinde ich die Soziologie und mein Studium im Rückblick als echte allgemeine Gesellschaftswissenschaft. Auch wenn ich ironischerweise Master of Arts bin, ist ein wissenschaftlicher Blick auf die Gesellschaft einfach wichtig. Um die Übung möglichst realistisch und so den Lerneffekt möglichst effektiv zu gestalten, müssen wir aktuelle gesellschaftliche Phänomene und mediale Entwicklungen in der Übung abbilden. Wir konstruieren für die Übung eine komplette simulierte Umgebung, nicht physisch wie in Feldübungen, die man im Katastrophenschutz kennt, sondern gedanklich, um die Menschen in den übenden Krisenstäben psychisch „in die Lage“ zu versetzen. Und dafür ist ein grundlegender Überblick bzw. ein Verständnis für gesellschaftliche Strömungen wichtig.
Es gibt einen entscheidenden Unterschied, der aber nicht nur mich, sondern unser ganzes Amt und viele unserer Aufgaben betrifft. Plötzlich bekommen wir viel mehr Aufmerksamkeit von der Gesellschaft.
Vor Corona sind wir mit unseren Szenarien und Übungen wie der LÜKEX, mit den Risikoanalysen, Vorsorgemaßnahmen und Themen wie Selbstschutz, Selbsthilfe, Notvorrat usw. oft nicht zu den Menschen durchgedrungen. Sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch die Politik beschäftigen sich einfach nicht gerne mit Krisen. Das ist natürlich eine menschliche Grundeigenschaft, nicht über Negatives nachdenken zu wollen, das zudem auch noch sehr unwahrscheinlich ist. Es gibt im Krisenmanagement den Spruch „Prävention ist unsexy“. Klar, Prävention kostet Geld, Ressourcen und Nerven und wird im besten Falle niemals zum Zuge kommen. Menschen erwarten in der Krise schnelle Information, zielgruppengerechte Kommunikation, ehrliche Antworten auf ihre Fragen. Aber entsprechende Risikokommunikation zu etablieren ist wirklich schwierig, die Menschen mit staatlicher Kommunikation für mögliche Krisen und Risiken zu sensibilisieren noch schwieriger.
Es ist jetzt zu früh das zu beurteilen, aber es ist gut möglich, dass Corona bewirkt, dass wir als Amt im Bevölkerungsschutz offener und intensiver mit der Bevölkerung über Gefahren wie Stromausfall oder Cyberangriffe reden können, ohne dass „Teile der Information sie verunsichern könnten.“
Vielen Dank für das Gespräch!
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