Gegründet habe ich mein Unternehmen sinnhaltig Lektorat im Jahr 2015. Der Unternehmensname entspricht der gehobenen Form von sinnvoll und beschreibt meine Einstellung zu Leben und Arbeit. Als freie Wissenschafts- und Fachlektorin für Soziologie und Gender Studies betreue ich seither Autor/innen, Verlage und Agenturen und helfe bei der Optimierung von Texten.
Mein beruflicher Werdegang steht unter dem Motto Umwege erhöhen die Ortskenntnis
. Geboren und aufgewachsen bin ich in Berlin. Dort habe ich eine Ausbildung zur Garten- und Landschaftsbauerin abgeschlossen und anschließend mein Abitur auf dem Zweiten Bildungsweg nachgeholt. Studiert habe ich dann (Kultur-)Soziologie und Gender Studies in Konstanz, Wien und Bielefeld.
Den Zugang zur Soziologie habe ich über die Gender Studies gefunden. Ich habe mich intensiv mit Michel Foucault und Judith Butler auseinandergesetzt, mich mit Konzepten wie Geschlecht und Körper, Raum und Macht, Wissen und Diskurs beschäftigt. Damals habe ich gemeinsam mit einem Kommilitonen die Fachschaft Gender Studies gegründet. Soziologie und Gender Studies gehören für mich also immer zusammen. Ich kann das eine nicht ohne das andere denken.
Mittlerweile lebe und arbeite ich in Bonn als freie Lektorin für Autor/innen, Verlage und Agenturen. Ich bin auf wissenschaftliche Texte und Sachtexte (vorwiegend auf die Bereiche Soziologie und Gender Studies) spezialisiert, lektoriere aber auch Texte aus anderen (Fach-)Bereichen oder auch Bewerbungsanschreiben und Websites. Ich mache also momentan genau das, was ich im Studium gelernt habe: Lesen, Schreiben und Denken.
Letztlich bin ich eine klassische Quereinsteigerin, denn ich habe kein Volontariat in einem Verlag gemacht. Zur Selbstständigkeit bin ich durch eine Mischung aus Zufall und bewusster Entscheidung gekommen. Ausschlaggebend war, dass mir eine freie Mitarbeit angeboten wurde und mich ein ehemaliger Kollege aus dem Verlag empfohlen hatte. So bin ich zu meinen ersten Aufträgen gekommen und dann am Ball geblieben.
Da ich mich für Sprache und Wissenschaft begeistere, ist der Beruf für mich perfekt. Denn ich kann mich inhaltlich mit beiden Themen auseinandersetzen. Sprache ist eng mit Macht und Wissen verbunden. Sie ist lebendig und wandelbar und dazu in der Lage, Unsichtbares sicht- und aussprechbar zu machen, Dinge und Identitäten in den Diskurs hinein zu holen, die dort vorher noch gar keinen Raum hatten. Sprache schafft letztendlich Platz für die Vielfalt der Welt und bei diesem Prozess dabei zu sein, ist für mich sehr erfüllend.
Mit Beginn der Selbstständigkeit musste ich mich zunächst einmal mit betriebswirtschaftlichen Vorgängen vertraut machen: Wie schreibe ich Rechnungen und Angebote? Wie mache ich eine Steuererklärung und wie gebe ich meine Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt ab? Außerdem musste ich mein Unternehmen sichtbar machen, also die richtigen Kanäle finden, damit Kundinnen und Kunden auf meine Dienstleistung aufmerksam werden. So bin ich zum Beispiel auf diversen Portalen gelistet, habe eine Facebookseite, einen Blog und suche nach interessanten Kontakten auf Xing.
Die Akquise, also das Generieren neuer Aufträge, ist tatsächlich die wichtigste Aufgabe. Selbstdisziplin und eine gewisse Hingabe an den Job sind hilfreich, denn als Selbstständige habe ich nur das Sicherheitsnetz, das ich mir selbst gespannt habe. Wenn ich keine Aufträge bekomme oder krankheitsbedingt nicht arbeiten kann, kann ich meine Miete nicht bezahlen. Viele meiner Tätigkeiten wie Akquise, Marketing oder Fortbildung bringen mir erst einmal kein Geld. Deshalb muss ich beispielsweise meine Preise so kalkulieren, dass es sich trotzdem deckt.
Der Vorteil zum Angestelltenverhältnis ist ziemlich offensichtlich: Ich bin mein eigener Boss! Ich sage, wo es langgeht, ob ich einen Auftrag annehme oder ablehne, wann ich welche Aufgaben erledige und wie ich dabei vorgehe. Ich bin zwar auch auf meine Auftraggeber/innen angewiesen, aber ich kann vor Auftragsannahme über die Bedingungen verhandeln.
Meistens sitze ich um 9 Uhr am Schreibtisch und lese meine E-Mails. Habe ich einen Auftrag, beginne ich zuerst mit der Textarbeit, weil ich morgens am konzentriertesten arbeiten kann. Die meiste Zeit verbringe ich damit, Texte zu lesen, zu korrigieren und inhaltliche Anmerkungen zu schreiben. Der andere Teil meiner Arbeit besteht darin, Akquise zu machen, meine Social-Media-Kanäle zu bespielen, Rechnungen zu schreiben oder meine Buchhaltung abzuwickeln.
Ich wollte gerne in der Wissenschaft bleiben, aber selbst nicht noch einen Abschluss oben draufsetzen. Ich wollte auch nicht unbedingt an der Uni arbeiten und in ein Projekt eingebunden sein, sondern mich überwiegend mit Texten beschäftigen. Deshalb kam es für mich auch nicht infrage, mich bei einem Verlag vorzustellen. Ich mag es, in den Austausch mit Autor/innen zu treten und ich bin gerne dabei behilflich, dass diese mit ihrem Werk zufrieden sind. Das ist auch der Unterschied zu einer Verlagslektor/in, die sich vorwiegend mit der Programmplanung und der Autorengewinnung beschäftigt.
Die Arbeit macht mir Spaß, weil ich das Gefühl habe, an einem Prozess beteiligt zu sein, an einer Sache zu arbeiten, die nicht für die Schublade bestimmt ist. Im Gegensatz zu der Arbeit, die eine Verlagslektorin macht, arbeite ich tatsächlich viel mit den Texten. Ich bin dabei, wenn ein neuer Text entsteht, ein alter überarbeitet wird, wenn sich Gedanken entwickeln und andere fallengelassen werden. Ich schaue anderen Menschen lesend beim Denken zu. Ich helfe ihnen dabei, komplizierte Dinge etwas einfacher auszudrücken. Was kann es Schöneres geben?
Zudem stehe ich in direktem Kontakt zu meinen Auftraggeber/innen und lerne dadurch ständig neue Sachverhalte und Sichtweisen kennen. Ich lerne neue Wörter, um die Welt zu beschreiben. Und dieser Prozess ist niemals abgeschlossen. Jede Kundin, jeder Kunde, jedes Projekt ist anders und erfordert ein anderes Vorgehen, einen anderen Umgang mit dem Menschen und dem Text.
normalenLektorin?
Die Fach- und Wissenschaftslektor/in arbeitet nicht mit Romanen, sondern mit Fach- und Sachtexten, ob das nun wissenschaftliche Arbeiten sind oder Ratgeber. Solche Texte benutzen eine andere Sprache, sie sind distanzierter und weniger blumig. Wissenschaftssprache ist immer Fachsprache und hat ein bestimmtes Publikum. Es geht zum Beispiel um Wissens- oder Erkenntnisvermittlung, die Darstellung komplexer Zusammenhänge. Die Zielgruppe ist also eine andere und das zeigt sich auch am Stil. Dabei ist doch jeder Text anders – egal, ob Wissenschaft oder Belletristik.
Jede Autor/in hat ihren eigenen Stil, benutzt bestimmte Wörter oder Wendungen häufiger als andere. Wenn ich einen Lektoratsauftrag bekomme, achte ich darauf, dass dieser Stil erhalten bleibt. Gleichzeitig bemühe ich mich, Schachtelsätze aufzubrechen oder einfachere Formulierungen zu finden. Das gelingt meist erst im direkten Austausch mit der Autorin oder dem Autor. Deshalb lautet mein Motto auch „Lasst uns gemeinsam denken.“ Denn ein Lektorat bedeutet, sich mit den Gedanken des Gegenübers auseinanderzusetzen und eventuell darüber zu diskutieren, welche Formulierung die passendste ist. Da spielen Fragen der Grammatik oder Rechtschreibung eine eher nebensächliche Rolle. Ein Text kann grammatikalisch perfekt sein, wenn aber der Inhalt nicht zu begreifen ist, wird er keine Leser/innen finden.
Genau wie Texte und Autor/innen sind auch Lektor/innen unterschiedlich. Jede/r hat unterschiedliche Stärken und Schwächen. Die eine ist besonders gut darin, Texte auf ihre sprachliche Richtigkeit zu prüfen, der andere sieht eher die inhaltlichen Schwachstellen. Das kommt ganz auf den Erfahrungsschatz und das Wissen der Lektor/in an und darauf, wie Autor/in und Lektor/in zueinanderpassen.
Mir fällt auf, dass sie teilweise sehr verunsichert sind. Sie wissen nicht, ob sie den Anforderungen der Dozent/in gerecht werden, ob sie möglicherweise gerade ein Plagiat begehen, ob sie genug Literatur verwenden oder wie sie überhaupt das Thema ihrer Arbeit eingrenzen sollen. Manchmal fehlt es am einfachsten Handwerkszeug: Wie kann mir Word dabei helfen, die Gliederung meiner Arbeit im Blick zu behalten? Wie zitiere ich richtig? Was ist der Unterschied zwischen Vergleich und Zitat? Ich habe den Eindruck, dass an den Universitäten wenig Wert auf die Ausbildung im wissenschaftlichen Schreiben gelegt wird. Das ist sehr schade. Daher betrachte ich meine Arbeit als Hilfsmittel für Studierende, die sich von der Uni alleingelassen fühlen.
Wer schon einmal selbst einen Text verfasst hat, weiß erstens, wie schwierig es ist, schreibend zu denken. Und zweitens, wie schwierig es ist, einen unvoreingenommenen Blick auf den fertigen Text zu werfen, der so viel intensive Arbeit erfordert hat. Als Lektorin fülle ich da eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Andererseits ist es ein Irrtum, zu glauben, dass eine lektorierte Arbeit direkt zu einer besseren Note führt. Ein inhaltlich schwacher Text wird nicht gehaltvoller, wenn er keine formalen Fehler mehr enthält. Textarbeit ist genau das, was der Name sagt: Arbeit am Text. Ein sprachlich und inhaltlich guter Text durchläuft verschiedene Prozesse, wird gelesen, korrigiert und überarbeitet, umgestellt, gekürzt und ergänzt.
Der Unterschied zum Ghostwriting besteht darin, dass ich keinen Text erstelle, sondern mit einem bestehenden Text arbeite. Die Autor/in hat eine Arbeit geschrieben, eine wissenschaftliche Arbeit, und möchte sie von mir sprachlich oder inhaltlich überprüfen lassen. Da geht es überwiegend um Rechtschreibung und Grammatik, aber auch um Fragen der Zitationsweise und Überprüfung der Verständlichkeit.
Wenn Studierende bei mir ein Ghostwriting anfragen, lehne ich das grundsätzlich ab, weise aber darauf hin, dass ich im Rahmen einer Schreibberatung gerne unterstützend tätig werden kann. Eine solche Zusammenarbeit beinhaltet, das Thema zu besprechen, es einzugrenzen und sich über die Inhalte der Arbeit auszutauschen, sodass die Studierenden am Ende wissen, was sie machen wollen oder sollen.
Die Soziologie ist ein gutes Übungsfeld, um sich kritisch mit verschiedenen gesellschaftlichen Phänomenen auseinanderzusetzen, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Vor allem die Methodenausbildung – ich habe qualitative Sozialforschung betrieben – ist noch immer sehr hilfreich bei meiner Arbeit, weil sie mir einen Zugang zu fast jedem Thema ermöglicht. Teilweise betrachte ich die Texte als Datenmaterial, das ich analysieren muss, um herauszufinden, was das Kernthema ist oder sein könnte.
In meiner Arbeit setze ich mich mit vielen verschiedenen wissenschaftlichen Inhalten auseinander. Ich tauche immer wieder in neue Themenfelder ein. Der Bezug zur Soziologie ist letztlich allgegenwärtig.
Wer sich für den Beruf der Lektor/in interessiert, sollte zunächst einmal ein Verlagspraktikum absolvieren und sich intensiv mit den Anforderungen des Berufes auseinandersetzen. Wer sich wiederum für die Arbeit von selbstständigen Lektor/innen interessiert, dem sei geraten, sich auf der Website des Verbands der freien Lektorinnen und Lektoren umzuschauen. Dort gibt es viele Informationen rund um den Beruf.
Vielen Dank für das Gespräch!
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